• Schon im Juni 2011 fragten wir uns hier, ob mit dem Handelsabkommen EU-Kanada, das sogenannte CETA, eine Art ACTA+ vorbereitet wird. Mit diesem Abkommen wird ein neuer Versuch gestartet, die Durchsetzung des Urheberrechts zu regeln.
    EU-Handelskommissar De Gucht hat scheinbar nichts aus ACTA gelernt.

    Wieder wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Und wieder wird alles in einen Topf geworfen und versucht, eine einheitliche Lösung für Urheberrechtsverletzungen im Internet und Produktpiraterie zu finden – obwohl dies einer der größten Kritikpunkte an ACTA war.
    Während De Gucht nun in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage (pdf) des österreichischen Abgeordneten Ehrenhauser zu beruhigen versucht, bleibt der kanadische Rechtswissenschaftler Michael Geist skeptisch.

    De Gucht erklärt in seiner Antwort, dass zwar Bestimmungen wie in Artikel 27.3 und 27.4 ACTA nicht in CETA enthalten sein werden, man aber “technische Schutzvorkehrungen und die Verwaltung digitaler Rechte” auf der Gundlage des Acquis [EU-Recht] und der WIPO-Verträge noch weiterverhandeln müsse (vergleichbar mit Artikeln 27.5 bis 27.8 ACTA). Dass De Gucht ein eigenartiges Verständnis von der Vereinbarkeit umstrittender Handelsabkommen mit EU-Recht hat, wissen wir bereits.
    Geist bestätigt in seinem Blog, dass die Bestimmungen zu Internetprovidern entfernt wurden. Patente bleiben jedoch auf der Liste der noch zu verhandelnden Details. Laut Geist erklärte der kanadische Verhandlungsführer Steve Verheul zudem Anfang August, dass die strafrechtlichen Sanktionen aus dem ACTA-Abkommen noch immer Teil des aktuellen CETA-Texts seien und die EU-Kommission hierfür gerade alle Mitgliedstaaten um Unterstützung bittet.

    Da ACTA von Kanada unterzeichnet wurde, stoßen die ACTA-ähnlichen Bestimmungen dort vermutlich nicht auf viel Widerspruch.
    Es besteht also die Gefahr, dass ACTA’s schwammige Begriffe, wie “gewerbliches Ausmaß” und “wirtschaftlicher oder kommerzieller Vorteil”, in CETA auftauchen. Dies bedeutet für innovative Nutzer, Projekte und Unternehmen nicht nur zivilrechtliche sondern auch strafrechtliche Sanktionen für unbeabsichtigte Urheberrechtsverletzungen. Außerdem können Internetprovider mit Begriffen wie “Beihilfe leisten” einfacher zu repressiven Maßnahmen gezwungen werden, da sie ja, wie Rechteinhaber oft argumentieren, an Urheberrechtsverletzungen mitverdienen.


    Da vor dem Abschluss der Verhandlungen weder der CETA-Text noch die Verhandlungsdokumente veröffentlicht werden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die EU und Kanada sich einfach aus ACTA mit copy/paste bedienen – obwohl die EU zurzeit dementiert.
    Was mich aber regelrecht verzweifeln lässt, ist die Ignoranz und der Wille der Kommission, unser reformbedürftiges Urheberrecht immer weiter zu zementieren. Wie hier an anderer Stelle schon betont: Mit jedem internationalen Abkommen verbauen wir uns die Möglichkeit, unser marodes Urheberrecht endlich an die Realität des digitalen Zeitalters anzupassen. Bevor wir auf internationaler Ebene weiterverhandeln, sollten wir erst einmal die vielen Baustellen in Europa angehen und den Weg für einen harmonisierten, europäischen Binnenmarkt ebnen. Solange wir die Fragmentierung hinnehmen und, schlimmer noch, die aktuellen Mängel zementieren und exportieren, werden nicht nur Grundrechte verletzt sondern auch Innovation in Europa verhindert.


    Die nächsten CETA-Verhandlungsrunden finden vom 17. – 21. September in Ottawa und in Brüssel vom 15. – 26. Oktober statt, zu einem Abschluss soll es spätestens Ende des Jahres kommen.
    Weiterlesen: Futurezone berichtet

    Quelle: CETA: ACTA lebt

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