Eine Frau kniet vor einem Tiger, lächelt ihn an. Sie putzt die Scheibe, die sie von dem Raubtier trennt.
Die Frau auf diesen Fotos heißt Ruth K., 43, sie arbeitete als Tierpflegerin im Kölner Zoo. Der Tiger heißt Altai und ist ein vier Jahre altes Männchen. Mensch und Tier wirken vertraut, sie verbringen fast jeden Tag miteinander.
Gestern starben beide; unweit der Stelle, an der dieses Foto aufgenommen wurde. Ein Drama, das deutlich macht, dass ein Tiger ein Raubtier bleibt, egal wie vertraut er den Menschen erscheinen mag, und egal, wie lange er hinter Panzerglas und Gittern eingesperrt ist.
Gestern in Köln: Die Sonne scheint, es ist 25 Grad warm. Um 9 Uhr öffnet der Zoo. Tausende sind da, viele Familien mit Kindern, wie immer an den Wochenenden.
Plötzlich Durchsagen per Lautsprecher: „Es wird evakuiert! Bitte gehen sie zum Ausgang!“
Die Menschen gehen ahnungslos zum Ausgang – ohne Eile oder Panik. Manche fordern sogar ihr Eintrittgeld zurück. Zur gleichen Zeit rasen Streifenwagen heran, Feuerwehr, Krankenwagen – dann fällt ein Schuss. Und noch einer . . .
„Heute ist der schwärzeste Tag in meinem Leben“, sagt Zoodirektor Theo Pagel kurz darauf. Mit einem Gewehr hat er den Tiger erschossen. Nachdem Altai die Frau angegriffen hat, die für ihn verantwortlich war.
Die Rekonstruktion des schrecklichen Dramas:
Es ist kurz vor 12 Uhr, als Ruth K. in das Raubtiergehege geht. Die Frau aus Nümbrecht (NRW) ist Revierleiterin, eine erfahrene Pflegerin. Und trotzdem geht etwas schief. „Die Pflegerin war an einer Stelle, wo sie nicht hätte sein dürfen, wenn das Tier drin ist“, sagt Zoodirektor Theo Pagel.
„Sie hätte sich nicht zusammen mit der Raubkatze in dem Tiergehege aufhalten dürfen. Wir können uns derzeit nicht erklären, wie einer so erfahrenen Kollegin ein so verhängnisvoller Fehler passieren konnte.“
Offenbar wollte Ruth K. das Gehege säubern, eine Sicherheitsschleuse war aber nicht richtig verschlossen. Tiger Altai greift sie von hinten an, beißt die Pflegerin mehrfach, auch in den Hals. Eine zweite Tierpflegerin findet sie bewusstlos und stark blutend neben dem Raubtier und schlägt Alarm.
Zoodirektor Theo Pagel erreicht die Nachricht auf dem Handy. Er stürmt auf das Zoogelände, rennt zum Tigergehege. Durch eine Dachluke des angrenzenden Wirtschaftsgebäudes zielt er mit einem großkalibrigen Gewehr auf das Raubtier, gibt zwei Schüsse ab. Altai ist sofort tot. „Der Zoodirektor hatte die richtigen Waffen dafür“, sagt der Polizeisprecher. Die Polizei habe mit den üblichen Dienstpistolen nicht viel anrichten können. „Das hätte den Tiger nicht gekratzt.“ Die Einsatzleitung hatte den Direktor deshalb ermächtigt zu schießen.
WEITERE AUSBRÜCHE
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WIE SICHER SIND DEUTSCHLANDS ZOOS?
10. November 2006: Ein Leopard fällt im Chemnitzer Tierpark seine
Pflegerin an und tötet sie mit einem Nackenbiss. Auch hier war eine nicht abgeschlossene Tür der Grund.
Erst als das Tier tot ist, können Rettungskräfte die schwer verletzte Ruth K. aus dem Gehege bergen. Notärzte kämpfen um ihr Leben, doch Ruth K. stirbt noch im Zoo.
Fernsehzuschauer kannten Ruth K. aus der Zoo-Doku „Tierisch Kölsch“ vom ZDF, in der sie bei ihrer Arbeit mit den Tigern begleitet wurde. Sie war seit mehreren Jahren im Kölner Zoo angestellt, als Leiterin des Katzenreviers war sie für die Organisation der Arbeit bei den Raubkatzen zuständig, leitete die anderen Tierpfleger an. Mit der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln arbeitete sie in der Forschung über Großkatzen zusammen.
Um 16.36 Uhr fährt ein Sprinter an einem Nebeneingang vor. Elf Minuten später schieben fünf Tierpfleger den toten Tiger auf einer Bahre ins Auto, brausen davon. Es ist das traurige Ende von Altai, der zu Ostern 2011 so freudig im Kölner Zoo empfangen wurde. Das damals dreijährige Tigermännchen kam aus dem Howletts Wild Animal Park in Südengland, sollte mit der damals 7-jährigen Amurtigerin Hanya endlich für Nachwuchs sorgen. Und es klappte schnell: 109 Tage nach dem ersten Decktermin wurden vier Tigerbabys geboren. Eines starb, aber Jegor, Mila und Finja wurden die neuen Stars im Zoo. Bei der Präsentation der Welpen sagte Kurator Alexander Sliwa: „Altai ist ein unglaublich liebevoller Vater.“
Die für gestern geplante Sommernacht im Kölner Zoo wurde abgesagt.
~ Quelle - Bild.DE
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